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Spirituelle Erleuchtung ist ein Prozess – und zwar ein sehr langer. Ja, Erleuchtung ist ein Vollzeitjob, das ganze Leben lang. Sicher ist es ein Job, der mühelos ist, wenn der Zustand sich bei einem Menschen erst einmal ganz etabliert hat. Trotzdem entfaltet er sich endlos weiter.
Wer denkt, dass Erleuchtung in nur einem Moment passiert, der alles für immer ändert, versteht nur ein Fragment in einem großen Bild. Natürlich stimmt es, dass es lebensverändernde Momente gibt, in denen das Bewusstsein sich entscheidend wandelt – Momente, die so kraftvoll sind, dass wesentliche Teile im Kern der Persönlichkeit abrupt ein Ende finden. Aber ohne den Prozess “davor” und “danach” fehlt selbst ihnen oft die wichtige Grundlage, die sie brauchen, um wirkungsvoll Wurzeln schlagen und aufblühen zu können.

Immerhin sind wir halb menschlich, halb göttlich, und so braucht mindestens eine Hälfte von uns lange Prozesse. Das, was im Erwachen erkannt wird, ist definitiv prozesslos; es ist die uns innewohnende, allumfassende Göttlichkeit, die immer hinter allem und jenseits aller Prozesse ist. Dies ist die unveränderliche Wahrheit dessen des Einen, das in allem ist, war und sein wird — und die Erkenntnis, dass du, der zu dieser Wahrheit erwacht, dieses eine bist. Dennoch bedeutet es einen fordernden, komplexen Wandlungsprozess, diese Wahrheit in uns zu verankern und es ihr zu ermöglichen, Körper, Persönlichkeit, Gehirn, Emotionen und Beziehungen zu anderen Menschen zu durchdringen.

Spirituelle Erleuchtung ist ein Prozess – und zwar ein sehr langer.

Im Alter von 23 Jahren, nachdem ich einer Reihe intensiver, alles in meinem Verstand umwälzender Erfahrungen gemacht hatte, erwachte etwas in diesem Funken von Bewusstsein, das sich vorher als “Shai” gekannt hatte. Das getrennte Selbst, das den Kern dieses Bewusstseins beherrscht hatte, explodierte im wahrsten Sinne des Wortes und wurde von einem allumfassenden Bewusstsein ersetzt.

Ich brauchte ein langes, sprachloses Jahr, um mich an diese neue Realität zu “gewöhnen”. Die grundlegenden Strukturen meiner Gedanken und Gefühle, von Zeit und Raum zerfielen, während ich still zusah. Mein damaliger spiritueller Lehrer, dem ich von diesem rätselhaften Geschehen berichtete, erkannte dieses Erwachen, sah es als die ersten Schritte eines Buddha und regte an, dass ich andere lehren sollte – und dass andere Menschen Zeit in meiner Präsenz verbringen sollten.

Aber, ganz ehrlich, obwohl das Herz von Spiritualität und Mystik sich vor mir ausbreitete – und dies auch mit einem starken Energiefeld einherging und einem spontanen Fließen spiritueller Weisheit – war ich noch weit weg von einem Buddha-Zustand. Die Samen des Karma, persönliche Sehnsüchte und zentrale Konflikte waren nicht mitsamt ihrer tiefsten Wurzeln ausgerissen worden.

Das getrennte Selbst, das den Kern dieses Bewusstseins beherrscht hatte, explodierte im wahrsten Sinne des Wortes und wurde von einem allumfassenden Bewusstsein ersetzt.

Diesen Zustand definiere ich als “Erwachen”: Der persönlich Kern ist ersetzt worden, doch die Person ist noch nicht eins mit der Wahrheit. Im Erwachen weißt du alles, was du wissen solltest, aber du kannst das noch nicht voll leben. Das Energiefeld um dich und das Charisma der Erleuchtung sind sehr hoch; deine spirituelle Einsicht geht tief und  inspiriert andere; es ist leicht für dich, in sehr tiefe spirituelle Zustände zu gehen; du verstehst die alten Schriften aus dem Innersten heraus; im Zentrum deines Seins ist eine ständige, stille Präsenz. Und doch ist noch zu viel von der Person da, denn der Samen des “Ich Bin” ist noch gesund und munter.

Man hat mich darauf hingewiesen. Drei wirklich befreite Lehrer, die ich in den Jahren meines Erwachens getroffen haben, erkannten an, dass ich eine “tiefe Erfahrung” gemacht hatte. Ich wusste nicht, was genau der Unterschied war, bis ich im Alter von 26 Jahren einen amerikanischen Yogi traf und einen sieben Jahre langen Zyklus mit ihm einging, in dem ich von ihm lernte und in dem er mich einweihte. Dieser Lehrer weckte in mir das Gefühl dafür, dass spirituelle Reife Zeit braucht. Er erklärte mir, dass laut seiner Tradition der Erwachte 21 Jahre lang weiter zu reifen hat, bevor er andere lehren darf. Ich befinde mich zu diesem Zeitpunkt 17 Jahre nach dem ursprünglichen Wendepunkt und erkenne voll an, wie wichtig diese Reifeprozesse sind.

Spirituelle Integration ist der Prozess, in dem wir aus dem, was wir innerlich wissen und dem, was wir nach außen zeigen, ein- und dasselbe machen.

Was genau ist diese Reifung? Es ist der langsame und allmähliche Prozess, in dem das, was sich im Kern des Bewusstseins gezeigt hat, bis zur Oberfläche der Person dringt und beginnt Körper, Gedanken, Emotionen, Lebenserfahrung und Beziehungen zu durchdringen. Das nennen wir “Integrieren”: Spirituelle Integration ist der Prozess, in dem wir aus dem, was wir innerlich wissen und dem, was wir nach außen zeigen, ein- und dasselbe machen.

So lange der Reifeprozess dauert, muss man vorsichtig sein, weil die Kombination aus einem berauschenden Gefühl völliger Freiheit und der Tatsache, dass die karmischen Wurzeln noch bis zum letzten ausgerissen werden müssen, gefährlich ist. Das Feuer des Lebens, das Verlangen entfachen kann, brennt noch immer innerlich. Das andere Feuer braucht Zeit, das Feuer der Wahrheit also, das im Moment des Erwachens zu brennen begonnen hat, und das die Samen des Karma und die Überreste des Verlangens aufzehren muss.

Nach dem Erwachen fängt das Feuer der Wahrheit an, die Überreste des “Ich”-Gefühls und seine Folgen zu verbrennen. Es verzehrt auch die Überreste der zentralen persönlichen Konflikte. Und, ebenso wichtig, es schließt allmählich die Lücke zwischen dem, der Wahrheit erlebt und der Wahrheit an sich. Mit anderen Worten bringt es das Gefühl des Erlebens an sich und die verschiedenen Bewusstseinszustände zu einem Ende.

Dieser Prozess kulminiert in einem weiteren wichtigen Wendepunkt, den man   “Befreiung” nennt (Jivamukti = eine befreite Seele) oder  “Erleuchtung”. In der Erleuchtung verlischt das Feuer des Lebens. Man spürt kein Verlangen mehr nach weltlichen Objekten wie Essen oder Sex. Spirituelle Erfahrungen und hohe Bewusstseinszustände sind nicht mehr attraktiv, stattdessen verweilt man ein einem unveränderlichen Sein; nichts ist “mehr” oder “weniger”. Der Prozess persönlicher Entwicklung an sich ist abgeschlossen. Immer noch gibt es unausweichliche karmische Auswirkungen, doch der Motor, der Karma produziert, hat seine Arbeit eingestellt. Man wird beschenkt mit einem alten, allumfassenden Wissen vom Lebens als Ganzes, und dient der Menschheit ganz natürlich von morgens bis abends.

Ist diese Befreiung dann also das Ende? Nein. Reifen kennt kein Ende.  Darum sehen wir von spirituellen Lehrern, die verstorben sind, meistens Bilder, auf denen sie alt sind. Vielleicht haben sie, als sie jung waren, mehr Ekstase und Kraft ausgestrahlt, aber der erwachsene Lehrer kommt einem vollen Bewusstsein in menschlicher Form am nächsten.

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4 Comments

  • Thorsten Johst sagt:

    Lieber Shai Tubali,
    ein wunderbarer artikel den Du da verfasst hast.
    Ich gehe grad durch dieses “stille Jahr”, wie Du es genannt hast. Obwohl ich keine Ahnung habe ob es sich bei mir nun um ein Jahr oder was für einen Zeitraum handeln wird. All das ist ja auch egal. ich habe viele Identifikationen und Träume verloren, vor dem Erwachen gab da immer schnell einen Ersatz, eine neue Rolle, ein neuer Traum den ich verwirklichen wollte, jetzt ist da auch ein Ersatz, aber dieser Ersatz ist immer present, eine ruhige Stille, die sich wie geborgenheit anfühlt, wenn ich das mal versuche zu beschreiben. Alles geht, aber diese ruhige Stille ist ein ständiger Begleiter in allen Veränderungen. So breitet sich im Verlust der Anhaftungen diese Geborgenheit immer weiter aus. Ich gehe dabei einfach mit, mit allem was ist. Manchmal bin ch total müde und erschöpft, manchmal voller Energie. Ich habe momentan nicht mal ein Interesse an meinen kreativen Talenten, ich bringe nichts voran ich integriere auch nichts, ich werde integriert, bei etwas das größer ist als ich. Ich hatte Spirituelle Lehrer, aber momentan ist da niemand, auch keine spirituelle Gemeinschaft, aber es ist egal, oder sogar total angenehm keine Führung oder Konzepte von aussen zu erhalten, die Erfahrung selbst hat die Führung übernommen und so lebe ich in Hingabe. Ich fühlr mich nie einsam oder Verlust, denn die Stille Güte begleitet mich. Ich verbrenne seit einem Halben Jahr und habe das Gefühl als würde das nie mehr aufhören. Schön das Du diese Erfahrung versuchst zu beschreiben, denn viele denken Erleuchtung ist ein einmaliger Knall in dem sich alles auf einen Schlag verändert und man würde dann kömplett göttlich vor sich hin schweben. Im Außen habe ich in meinem Altagsleben noch nichts verändert, aber ich bin anders auch in meinem Job, den ich ziemlich schnell wieder aufgenommen habe, da ich keinen Urlaub mehr hatte. Aber auch hier im Altag verbrenne ich weiter und der stille “Begleiter” ist mit mir. Nichts muß ausgeschlossen werden, auch due “Rückkehr” in die Welt und den Altag ist notwendig, das Menschliche lebt weiter auch wenn es sich verändert durch die göttliche Komponente, denn ich fühle erst dadurch werden wir zum göttlich/menschlichen Wesen, dass wir schon immer waren und sein sollten. Aber genug der Worte, die eh nur ein Versuch bleiben. Gut dass Du es in Deinem Artikel klargestellt hast, es wird vielen Leuten helfen, Danke.

  • displaceD sagt:

    Interessant. Leider war ich bereits in zwei Buddhistischen Zentren in Norddeutschland und leider schenkte man mir keinen glauben. Doch gehe ich seit meinem Erwachen meinen eigenen Weg. Inzwischen bin ich auf einen sehr guten Weg. Das spüre ich. Ich genieße es inzwischen (Anfangs war es schwer) einen freien Geist zu besitzen und nicht mehr von Gedanken gestört zu werden. 🙂

  • Hannah sagt:

    Vielen Dank für den interessanten Beitrag. Spirituell zu leben funktioniert nicht von einen Tag auf den anderen. So etwas braucht wirklich Zeit.
    Mit besten Grüßen,
    Hannah

  • Daniel sagt:

    Wenn man ohne Ahnung und nichts suchend, plötzlich von heute auf morgen erwacht, und Gott spürt, und alles ist anders und alles ist besser, dann hat man das Gefühl vom Heiligen. Man interpretiert dann Dinge aus dem weltlichen Gedanken von Heiligkeit, als in sich beginnend und stattfindend und meint, Wunder was da jetzt noch für besondere Mächte kommen. Man will jetzt am liebsten nicht mehr arbeiten, sondern reich werden, weil man ja heilig ist. Man übernimmt historische Erwartungen. Das ist falsch.
    Für die, die auf der Suche nach Erwachen sind, scheinen bereits Erwachte mitunter als Heilige. Das ist falsch. Das gilt auch für alle Menschen, die in irgendeiner Kirche Gott suchen, die Pfaffen sind keine Heiligen. Schluss mit weltlicher Heiligkeit. Heiligtuerei, Räucherstäbchen, mystische Musik, Heiligenschein, Masken der Gottesfurcht, glänzende Gewänder, Ikonen, Moscheen, Kirchen. Das ist Lug und Trug. Dieser ganze Zirkus ist aber, genau in dieser Form, notwendig, zur letzten Erkenntnis, der Erleuchtung.
    Der Erleuchtete ist weise und leise.

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