„Zu wissen, wer du in deinem tiefsten Kern bist, bedeutet ein unbegrenztes Reservois der Kraft, des Mutes, der Weisheit sowie der Liebe anzuzapfen. Mit solch einem unbegrenzten Reservois, hast du alles, was du je brauchen könntest, um angstbefreit und kraftvoll in dieser Welt zu leben.“
Spirituelle Aktivität und Entwicklung sollten in zwei Hauptkategorien geteilt sein. Die erste nennt sich „Selbstverbesserungsprozess“ und die zweite ist „Transformierende Spiritualität“. Selbstverbesserungsprozesse sind die üblichsten. Selbstverbesserung ist darum bemüht, menschliche Muster zu korrigieren und zu verbessern.
Sie unterstützen dabei, Leiden zu lindern; Funktionalität sowie Verhalten zu verbessern; den Praktizierenden mit einem Sinngefühl und einer tieferen Verbindung zum Leben sowie manchmal sogar einer „höheren Kraft“ zu verbinden. Sie vermehren die Harmonie und den Frieden in Herz und Geist der Menschen. Wir können all dies auch „Tröstende Spiritualität“ nennen, da sie existenzielle Spannungen erleichtert und die Menschen mit bekräftigenden Formen von Gedanken und Gefühlen ausstatten, womit sie dann leichter mit den Herausforderungen und Schwierigkeiten des Lebens umgehen können.
Die „Transformierende Spiritualität“ ist weit weniger bekannt. Sie beschäftigt sich mit Selbsttranszendenz und damit, das individuelle „Ich“ als ungeteilte Einheit mit dem Leben zu verschmelzen. Aufgrund dessen, ist sie nicht dafür gedacht, unser existierendes Selbst zu trösten oder zu unterstützen, sondern es viel eher mit dem kosmischen Wesen und Bewusstsein zu verbinden, welches schlummernd an der Wurzel unseres menschlichen Verstandes liegt. Dies ist die bahnbrechende Entdeckung der wahren Natur menschlichen Bewusstseins.
Transformierende Spiritualität ist gekennzeichnet durch gigantische Sprünge, die vom Praktizierenden in seinem Bewusstsein vollzogen werden. Das Bewusstsein springt immer und immer weiter jenseits unserer bekannten Selbstidentität, in eine Form, die unsere vorherige Ebene des Funktionierens und Existierens überflüssig macht. Je mehr wir uns in diesen höheren Ebenen der Selbstidentität festigen, desto vertrauter werden wir mit einer vollkommen neuen Welt, bestehend aus menschlichen Erfahrungen, Werten sowie mentalen und emotionalen Aktivitäten.
Die höchste Funktion unseres Verstandes
Transformierende Spiritualität händigt uns dieses wertvolle Geheimnis menschlichen Bewusstseins aus: Die höchste und verfeinertste Funktion unseres Verstandes. Allgemein gesprochen, kann unser Verstand auf drei Funktionsebenen agieren:
- Die erste Ebene des Verstandes ist die, mit der wir alle sehr vertraut sind: die persönliche, mentale und emotionale Aktivität, welche durch unsere hoffnungsvolle Suche nach Glück, Befriedigung und Verlangen angetrieben wird. Diese Art der Aktivität führt zu einer gänzlichen Identifizierung des Verstandes mit Körper und Psyche sowie mit deren Beziehungen mit der Welt um sie herum. Aus dieser Identifikation verästelt sich ein ganzes emotionales und mentales System. Verlangen und Schmerz sind dabei die bestimmenden Messmittel für Glück und Leid.
- Die zweite Funktionsebene beschreibt eine weit unpersönlichere Aktivität. Diejenigen, die diese Ebene am meisten nutzen, sind Philosophen oder Wissenschaftler, welche die großen Fragen des Lebens und des Kosmos lösen wollen. Auf dieser Ebene benutzen wir den Verstand, um die Geheimnisse der Existenz fassen und begreifen zu können. Um das zu tun, muss der Verstand sich natürlich ein beträchtliches Stück von seiner automatisierten und engen persönlichen Aktivität fortbewegen. Selbstverständlich wird auf dieser Ebene noch eine klare Unterscheidung zwischen Subjekt und Objekt aufrecht erhalten. Eine Trennung zwischen dem fragenden Verstand und dem Objekt der Untersuchung. Schließlich liegt es doch in der Natur der Wissenschaft, etwas so objektiv wie nur möglich von außen zu beobachten, um das untersuchte Phänomen verstehen zu können.
- Die dritte Ebene ist die des erleuchteten Bewusstseins, in der der Verstand sich vom ersten und persönlichen Fokus leeren muss, um seine eigene Natur und Identität zu erforschen. Wer oder was ist der Untersuchende oder der Fragestellende? Was ist die wahre Natur des menschlichen Verstandes? Auf dieser Ebene vollzieht sich ein Wechsel vom Denken zur Meditation und zu einer Kontemplation, die eine direkte Selbstreflexion darstellt. Je weiter sich diese Art der Selbsterforschung des Verstandes vertieft, desto mehr erkennt er die Existenz eines Teils des Verstandes, welcher völlig allein und unabhängig von der persönlichen Identität und Funktion stehen kann. Seine Natur ist rein unpersönlich. Er existiert auf ausgeprägte und dennoch getrennte Weise und erfährt Ebenen der Freiheit und Unbegrenztheit, die außerhalb der Reichweite unserer gewöhnlichen Selbstidentität liegen. Qualitäten der Unsterblichkeit fangen an, darin aufzublühen, während der Verstand im Kern, als Teil eines weit größeren Bewusstseins enthüllt wird.
Und während sich die dritte Ebene weiter entfaltet, gelangt der menschliche Verstand zu der Erkenntnis, dass es da keine wirkliche Trennung zwischen ihm und allem Anderen gibt. So entdeckt er seine weiteste Natur als das alles einschließende Bewusstsein des Universums selbst.
Spirituelle Transformation ist eine welterschütternde Enthüllung im Leben eines Individuums. Es ist ein Wechsel von der ego-zentrierten Welt, die die Geschichte einer Einheit auf ihrer Durchreise und ihren Schwierigkeiten, Erfüllung im Austausch mit irgendeiner objektiven Welt zu finden, darstellt – hin zu einer kosmos-zentrierten Welt, welche die Geschichte eines unbegrenzten Bewusstseins und seiner Entfaltung in Form eines begrenzten Universums beschreibt.
Bewusstsein ist die größte Ermächtigung des menschlichen Lebens
„Spirituelle Transformation ist nicht das Gegenteil von menschlichem Leben. Wenn sie als solides Fundament des Lebens begriffen wird, kann sie zu der Geheimkraft werden, die in der Lage ist mit allen Nöten und Herausforderungen des Lebens umzugehen ohne sich zurückziehen zu müssen.“
Der Pfad zu diesem Element des Verstandes ist bemerkenswert kurz. Tatsächlich ist es gar keine Angelegenheit der Entfernung, da es selbst dem Verstand bereits innewohnt. In diesem Zusammenhang könnte man sagen, dass es zwei Teile des menschlichen Verstandes gibt. Einen, in dem sich ein Kontinuum der Zeit ausbreitet und beständig unsere entstehende persönliche Einheit mit all ihren Erinnerungen und Wünschen formt. Und einen anderen, der von diesem Zeitkontinuum für immer unberührt bleibt und damit vollkommen frei ist.
Mit dem Auftauchen dieser Identität, fallen auch viele Elemente der Psyche ganz von selbst weg. Aus dem sehr einfachen Grund, dass sie irrelevant geworden sind. Verschiedene Funktionen der Persönlichkeit, wie zum Beispiel gesunde Instinkte, funktionelles Denken, kulturelle Verhaltensweisen, Fähigkeiten und Eignungen, bleiben intakt. Doch sie werden zu bloßen Dienern eines neuen Meisters: Dem Meister des Bewusstseins.
Diese ultimative Entdeckung zeigt uns die gleichzeitige Existenz als eine persönliche und separate Einheit, die ihre sterbliche Erscheinung auf Erden lebt und einem unpersönlichen Wesen, das in sich die ganze Existenz beinhaltet.
Natürlich findet sich in solch einem Wesen ein vollkommen anderes Wertesystem. Auf unangestrengte und natürliche Weise erfährt es universelles Gewahrsein und universelle Liebe, wobei es durch einen Impuls universeller Leidenschaft und Kreativität angetrieben wird.
Transformierende Spiritualität ermöglicht es uns, direkt und ungehindert mit dem fundamentalen Frieden unseres unendlichen Bewusstseins in Berührung zu kommen. So zeigt uns das, dass wir nicht etwa nur Erdenwesen sind. Aus solch einer totalen Freiheit heraus, können wir uns wahrlich trauen, in die menschliche Erfahrung einzutauchen und „Ja“ zu Leben zu sagen.