Die Kundalini gehört zu den Rishis — eine von den Sehern und Yogis der Antike entdeckte “spiritualisierende” Kraft, die allen Menschen innewohnt. Sie ist das Mittel, das Wandlungsprozesse auf dem Weg transformativer Spiritualität ermöglicht. Meiner Meinung nach reicht ihre Bedeutung aber noch darüber hinaus: Es ist wichtig, diese Kraft nicht nur als das Element zu verstehen, das den Prozess in Gang setzt und Transformationen bewirkt. Sondern auch zu erkennen, welche Rolle sie in der gesamten möglichen Evolution des menschlichen Bewusstseins spielt.
Für jeden, der sich wirklich in einem spirituellen Prozess befindet, ist die Energie der Kundalini eine lebendige und greifbare Realität, egal, ob man ihr Erwachen bewusst oder unbewusst, absichtlich oder unabsichtlich bewirkt.
Im Laufe der Jahrhunderte haben viele Millionen Menschen ein Kundalini-Erwachen erlebt und haben solche Erlebnisse dokumentiert. Das gilt nicht nur für die Welt des Yoga, in deren Schriften diese Kraft als Basis spirituellen Erwachens ursprünglich beschrieben wurde. Wir finden in esoterischen Texten, die von Mystikern und deren eingeweihten Anhängern innerhalb ihrer Religionen und verschiedenen spirituellen Schulen verfasst wurden, viele umschreibende “Metaphern” für die Kundalini-Dynamik.
Was die Kundalini, als Phänomen gesehen, von den meisten Beschreibungen dieser Mystiker deutlich unterscheidet, ist, dass sie keineswegs ein rein mystisches Phänomen ist – zumindest nicht im bekannten Sinne eines “Out-of-the-Body”-Vorkommens.
Die Kundalini ist wirklich ein absolut physiologisches Phänomen. Das heißt also, dass diese Kraft konkret über die Sinne wahrgenommen wird. Sie ist daher keineswegs ungreifbar oder subtil im esoterischen Sinn.
Dieser Punkt führt zu der allgemeinen Frage, ob das ganze Prinzip der feinstofflichen Anatomie, die so sorgfältig von den Rishis und Yogis beschrieben wurde, im Grunde nichts anderes sein könnte als eine ruhende Evolutionsstruktur, die im menschlichen Körper liegt. Könnten die Nadis (das subtile Nervensystem), die Chakren (zentrale Zusammenflüsse der Nervenstränge) und die Kundalini (die Lebenskraft) in Wirklichkeit noch unentdeckte Schichten unserer physischen Konstitution sein?
Was auch immer die Antwort auf diese wichtige Frage sein mag, eins ist eindeutig und offensichtlich: Sobald die Kraft der Kundalini durch die Wirbelsäule hindurch aufsteigt (sowohl durch die feinstoffliche “Sushumna”, die zentrale feinstoffliche Nervensäule, als auch durch die physische Wirbelsäule) kann man sie direkt und klar als Energiestrom wahrnehmen. Mit diesem Strom gehen oft körperliche Phänomene einher, wie etwa Kribbeln oder Hitze- und Kältewellen oder allgemein das Gefühl einer fließenden Energie, die gegen die Schwerkraft aufwärts strömt.
Solche Phänomene können das Ergebnis einer direkten und absichtlichen Kundalini-Praxis sein. Aber meistens passieren sie unabsichtlich beim spirituellen Praktizieren: Wenn die Person sich wirklich auf transformative Spiritualität konzentriert (also ihre Aufmerksamkeit stetig nach innen richtet, auf das Bewusstsein selbst, und nicht, wie sonst üblich, nach außen), kann dies die Dynamik der Lebenskraft umkehren.
Normalerweise beschäftigt die Psyche sich mit irdischen Dingen, weil sie sich auf das Außen konzentriert, und so fließt sie nach unten, zur Erde hin. Nun strömt sie entgegen der Schwerkraft nach oben, in Richtung Kopf und Gehirn, wo sich die höheren Kapazitäten des menschlichen Bewusstseins befinden.
Dieser Anti-Gravitationsfluss bringt allmählich eine neue Art des Menschseins hervor.
Der Schwerpunkt des Daseins verschiebt sich zum Bewusstsein und verwandelt die Lebenskraft, die wir sonst in irdische Elemente investieren, in eine starke Energie höheren Gewahrseins.
Unser Schwerpunkt liegt dann nicht mehr auf dem tierisch-materialistisch-irdischen Sein – die Lebenskraft wird also nicht mehr auf Geschlechtsorgane und im Verdauungssystem konzentriert — und verlagert sich unter dem Einfluss der aufsteigenden Kundalini in eine verfeinerter Wahrnehmung. Dieser Vorgäng scheint auch neue Aktivitäten der Hypophyse und Zirbeldrüse zu bewirken.
Je mehr die Kraft der Kundalini in der Wirbelsäule aufsteigt, desto mehr verliert die Person das Interesse an der materiellen und irdischen Existenzebene – und desto weniger ist sie davon abhängig. Das sexuelle Verlangen der Person nimmt deutlich ab. Die Bedürfnisse – auch grundlegende, wie das nach Nahrung – werden minimiert und der aggressive Wille verschwindet. Das emotionale System hängt wesentlich weniger von äußerem emotionalen Feedback ab.
Der Grund dafür ist nicht nur, dass der Schwerpunkt der Wahrnehmung sich zu den höheren Zentren verschiebt, sondern auch die Tatsache, dass mit einem solchen Wechsel sehr angenehme Erfahrungen einhergehen – emotionale Erhebung, die Erfahrung höchstens Glücks und ein tiefes Ruhen in Selbstzufriedenheit.
Die Erfahrung des physischen Orgasmus etwa, die normalerweise auf kurze Momente sexueller Befriedigung begrenzt ist, wandelt sich durch den Aufstieg der Kundalini zu einer feinen, ruhigen Schwingung, die den Körper von Kopf bis Fuß durchströmt.
Es scheint, dass das ganze physische und emotionale zu einer Einheit wird, die sich selbst nährt. Statt wie üblich nach einem positiven Feedback von Außen zu hungern, wird es nun zu einer stillen Quellen, die ihr Licht auf alles wirft, was sie umgibt.
Die Kraft der Kundalini verändert dann unsere menschliche Erfahrung radikal. Indem sie unsere Zentren der Wahrnehmung verwandelt, werden auch die Sinne verstärkt, so dass sinnliche Fülle viel leichter spürbar wird. Sie entfernt körperliche, emotionale und geistige Blockaden, die uns sonst nach unten ziehen, zu unseren irdischen, dichteren Elementen und Tendenzen, und erweckt in uns ein weit größeres, lebendiges Potenzial der Wahrnehmung und Gehirnaktivität.
Wenn wir die Kundalini lediglich als eine esoterische Kraft verstehen, hindert uns dies als Menschheit daran, dieses Phänomen der Lebenskraft als das zu sehen, was sie wirklich ist: Als eine potenzielle Quelle physiologischer Energie, als ein System, das die Psyche transformiert und als Kraft, die dem Menschen innewohnt und ihn erlösen kann. Tatsächlich gibt es nichts, das für unsere eigene Selbstheilung unmittelbar verfügbarer wäre, als diese Kraft.
Die Entfaltung der Kundalini kann es Menschen ermöglichen, unseren Geist, Körper und die grundlegenden irdischen Elemente zu meistern.
Sie kann unsere verschiedenen und manchmal widersprüchlichen Elemente in ein einheitliches Wesen integrieren und dafür sorgen, dass unser Bewusstsein von unserem eigenen höheren Willen geführt wird. Dieses energetische System zu begreifen, dessen Existenz Millionen von Menschen aus ihrer direkten Erfahrung bezeugen, könnte wie der Erwerb einer Art Landkarte sein, die uns einen Zugang zu den ruhenden Kräften im menschlichen Körper aufzeigt. Diese transformierenden Kräfte beinhalten nicht nur das Potenzial einer gravierenden individuellen Veränderung, sondern auch eines ausgeprägten kollektiven emotionalen Wohlbefindens, an dem alle teilhaben können, eines höheren Maß an Glück und Zufriedenheit, geistiger Klarheit und echten Weltfriedens.
Lieber Shai Tubali,
Danke für deinen Text hier, der so sehr genau die Vision der Evolution des Bewusstseins beschreibt, die von den Meistern aller Zeiten vorgelebt und unterstützt wird und wurde , um den suchenden Menschen auf ihrem Inneren Weg zu helfen. Viele Menschen haben inzwischen den Weg zur inneren Entwicklung gefunden und helfen so mit das Weltbewusstsein anzuheben und wahren inneren Frieden und innere Erfüllung zu leben und zu verbreiten. Ich habe seit meiner Jugend diese Entwicklung beobachtet als ich selbst den Weg zur Meditation und Mystik fand und viele Meister studiert. Gerade lese ich deine Bücher White Light und Chakren. Es ist für mich immer eine Freude zu sehen wie dieses Wissen und Erleben sich weiter verbreitet. Herzliche Grüße.
Hi Shai
Mit Kundalini ist nicht zu spassen.
Deshalb..was MUSS als Vorbereitung, als Basis das ein, damit man sich damit beschäftigen sollte?
Ich danke DIR.
Hugo
Hallo, bei mir kam es ganz plötzlich , unvorbereitet und ich habe es noch . Ich lerne damit umzugehen , es ist zu schaffen .
Udo
Ich erlebe die Kundalini seit einigen Jahren als treue Begleiterin, mal fordernd, mal sanft. Ich nehme sie mal als Kälte, bis hin zu Eiseskälte, und dann wieder als Hitze, bis hin zum Gefühl des inneren Verbrennens wahr. Sie erscheint so, wie es gerade nötig ist, um den Körper energetisch in Ausgeglichenheit zu bringen. Ich fordere sie NIE! Kein Kundalini-Yoga, keine Feueratmung, etc.. Sie ist eine intelligente Energie und entscheidet selbst, wann, in welcher Form (Hitze/Kälte) und wie stark sie gebraucht wird.