Eines der wichtigsten Elemente, die wir innerhalb unserer Psyche vorfinden, ist die Ansammlung schwieriger und bitterer Erinnerungen – negative Eindrücke, die aus den Begegnungen mit dem Leben und der Welt stammen. Die schwierigsten davon könnte man als „Traumata“ bezeichnen – Lebensstürme, die unsere Wahrnehmungszentren bis zur Wurzel erschüttert haben, was übervorsichtige und unter Vorbehalt geführte Beziehungen nach sich gezogen hat. Mit allem, was damit einhergeht.
Die Psyche bewahrt diese Erinnerungen auf, da es in ihrer Natur liegt, auf Erinnerungen zu basieren, und mitunter verstopft sie daran. Was kann diese Erinnerungen auflösen? Oder, genauer gefragt, was kann die Prägungen auflösen, die sich infolge solcher Erinnerungen in uns angehäuft haben?
Das große Problem hinsichtlich der Versuche unserer Psyche, sich selbst von der Bürde dieser Prägungen zu befreien, ist die Tatsache, dass sie gänzlich auf der Geschichte gründen, die wir uns über uns selbst und die Art, wie die Welt uns behandelt hat, erzählen. Dadurch wird es für unsere Psyche schwierig, sich von ihren tiefgreifenden Identifikationen mit diesen Erinnerungen zu lösen. Schlimmer noch, da sie dazu neigt, den eigenen narrativen Interessen folgend Erinnerungen in einem Maße zu arrangieren, dass sie sich mitunter von den eigentlichen Erlebnissen lösen, ist die Psyche viel zu sehr mit dem Geschichtenerzählen beschäftigt, als dass sie sich für eine vollkommene Befreiung wirklich interessieren könnte. Viele Therapien halten das Selbstbild einer Person als Opfer der Geschichte aufrecht; als jemand, dem Unrecht getan wurde; als jemand, der gegen seinen Wunsch vom Willen eines anderen Menschen überrannt wurde. Solche Therapien sind natürlich in der Lage, Schmerzen zu lindern und die negativen Schlussfolgerungen, die durch den Zusammenstoß mit einem bestimmten Stück Realität entstanden sind, einer erneuten Betrachtung zu unterziehen. Gleichwohl wirken diese Therapien vom vertrauten Persönlichkeitskontinuum aus, sodass das Trauma oder der bittere Eindruck aktiv bleibt, wenn auch in versteckter Form, denn beides wurde niemals wirklich von der Wurzel her gekappt. Das persönliche Selbstbewusstsein ist weiterhin mehr oder weniger abhängig von seiner Geschichte und wird sich deshalb subtil daran heften. Mit anderen Worten, die Freiheit von der Erinnerung kann niemals radikal und absolut sein.
Es empfiehlt sich, unseren höheren Geist in die Lage zu versetzen, seine Perspektive in eine nutzbare und aktive Kraft zu verwandeln, womit eine befreiende Energie zum Wohle der Psyche gemeint ist. Auf diese Weise beginnt sich eine äußerst bedeutungsvolle Brücke zwischen den beiden Ebenen des Geistes zu bilden, die einen freien Fluss zwischen der höheren, vermeintlich unerreichbaren Ebene und der tieferen, persönlichen Ebene des Geistes ermöglicht. Dank dieser Brücke kann das Unbegrenzte endlich auf die begrenzte Realität einwirken.
Wie wir negative Erinnerungen transformieren können
Um dies zu bewerkstelligen, benötigen wir natürlich eine vermittelnde Sprache – eine Sprache, die zwei Ebenen miteinander verbindet, deren Verbindung ansonsten auf den ersten Blick nicht offensichtlich ist. Solch eine vermittelnde Sprache findet sich in den Techniken zur emotionalen Heilung, die zum System der „Ausdehnungsmethode“ gehören. Diese Sammlung an Techniken zielt darauf ab, Erinnerungsprägungen durch die aktive Kraft erleuchteter Bewusstseinszustände von der Wurzel her aufzulösen.
Diese ausdehnungsbasierten Techniken lassen die Erinnerung in den verschiedenen Wahrnehmungs- und Erfahrungszentren in Erscheinung treten: sowohl im instinktiven als auch im Gefühls-, Emotions- und Kognitionszentrum. Ist die Erinnerung lebendig, kann man ohne weiteres den Fokus auf die Prägungen und Schlussfolgerungen richten, die sich innerhalb dieser Zentren gebildet haben. In der zweiten Phase dehnen diese Techniken die Erinnerungsmuster aus. Dieser Prozess ist in sich bereits eine Art von Alchemie. Die dichte Erinnerung wird immer durchscheinender, sodass das Licht des Bewusstseins hindurch gelangen kann.
Die Ausdehnung ermöglicht eine komplette Aufmerksamkeitsverlagerung. Nun ist jemand in der Lage, mit seinem Gewahrsein in einen erleuchteten Bewusstseinszustand einzutauchen. Der Geist wird auf die höhere Ebene angehoben, der frei ist von Erinnerungen oder, um genau zu sein, von jeglicher instinktiven oder emotionalen Prägung, die mit der Erinnerung verbunden ist. Das Bewusstsein ist frei und unberührt, und hier kann jemand das verborgene Gesetz für sich erkennen, dass Bewusstsein die verdichtetere Realität formt. Die Zentren der Wahrnehmung und Erfahrung reagieren auf dieses Gesetz bis hin zur physischsten Ebene ziemlich unmittelbar mit Entspannung und Frieden – selbst wenn sie erneut mit dieser Erinnerung konfrontiert werden.
Von diesem Zustand aus, in dem der Geist frei ist von jeglicher Erinnerung, kann der höhere Geist anfangen, auf die Prägungen einzuwirken und sie zu neutralisieren. Er trennt einfach die zweckmäßige Erinnerung von der Interpretation oder dem psychologischen Inhalt, mit dem sie vorher angefüllt war. Die Erinnerung bleibt eine bloße Erinnerung. Von einem reinen, positiven Geist aus, der zuvor von der sich auf den Prozess einlassenden Person unvorstellbar war, wird der Kampf mit der Erinnerung überflüssig. Dadurch wird es letztlich möglich, das vergangene Ereignis mit einer neuen Interpretation aufzuladen: einem Kontext innerhalb der entwicklungsbedingten „Geschichte“ der Psyche sowie einer positiven, der Entwicklung dienenden Bedeutung. Darüber hinaus kann jemand, dem dank der Perspektive einer höheren Ebene weitreichende Mächte zur Verfügung stehen, solche vergangenen Momente, die ursprünglich in einem recht semi-bewussten Zustand erfahren wurden, mit einem kompletten Gewahrsein durchtränken. Damals mangelte es den Zentren des Instinkts, des Empfindens, des Willens, der Emotionen und der Kommunikation an der Präsenz eines vollends reifen Gewahrseins, um die instinktiven Reaktionen zu verarbeiten, aus denen andernfalls eben rigide mentale Prägungen entstehen.
Die Therapie des höheren Geistes ist voll und ganz positiv angelegt. Sie entstammt der Welt schimmernder Positivität, die über die Macht der Erlösung verfügt, nicht durch bloßen Glauben oder Hoffnung ans Beste, sondern durch die Kraft ihrer eigenen Präsenz. Auf diese Weise wird es möglich, große Teile unserer vergangenen Eindrücke sowohl aus dem bewussten als auch dem unbewussten Gedächtnis zu tilgen.
Größer werden als das eigene Gedächtnis
Bei einem Trauma oder irgendeiner schwierigen Erinnerung erleben wir in der Regel, dass unser auf die Erinnerung treffendes Bewusstsein kleiner ist als die Erinnerung selbst. Die Erinnerung gebärdet sich als große und aggressive Entität, die unsere winzige Bewusstseinsinstanz schlichtweg überrannt hat. Da wir uns als kleiner als das Ereignis selbst und somit als hilflose Opfer erlebt haben, bleibt der eigentümliche Eindruck eines Überfalls und einer Übernahme durch etwas von außen Kommendes zurück.
Durch den Schritt der Ausdehnung werden wir endlich viel größer in unserem Bewusstsein als die Erinnerung. Waren wir zuvor ein Staubkorn im Vergleich zu der Erinnerung, die uns zu verschlucken schien, erscheint nun das Ereignis, in seiner Gesamtheit, als das Staubkorn innerhalb unseres Bewusstseins. Das ist ein Zustand solch reiner Befreiung, dass wir alle Angst vor diesem vergangenen Erlebnis verlieren. Größer als das Leben kehren wir zurück und können unsere Lebensgeschichte steuern.
Wenn du die Ausdehnungsmethode lernen und üben möchtest, lies „A Guide to Bliss“