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Warum sind wir hier?

1 | Warum wir einen Sinn brauchen

„Die Frage nach dem Sinn des Lebens ist für mich die wohl zentralste und dringlichste aller Fragen. Wie kann auch nur ein Schritt im Leben gegangen werden, ohne dass man zuerst verstanden hat, wofür der Mensch eigentlich in diesem Leben ist?”

Die Verdrängung der alten Religionen zugunsten der Wissenschaft und Technik, erwies sich als äußerst unbefriedigend in Bezug auf Sinn- und Bedeutungsfindung. Alles was uns geblieben ist, ist ein absolut sinnloser Konkurrenzkampf: acht Milliarden Menschen hetzen verzweifelt ins Nichts.

Der einzige Schlüssel zu wahrem menschlichen Glück liegt im Sinn. Dieser ist sowohl ein grundlegender psychologischer Schlüssel, als auch ein wesentlicher spiritueller Bestandteil. Sobald es irgendwo Sinn gibt, wird das Herz lebendig. Das menschliche Herz ist sinnbasiert und sinnorientiert. Ohne Sinn ist das Herz leer und damit verloren.

Hier leistete auch Viktor Frankl, Psychologe und Gründer der Logotherapie, seinen größten Beitrag zur modernen Suche der Psychologie nach psychischer Ganzheit. Sein gesamter therapeutischer Prozess basiert darauf, Menschen dabei zu helfen, den Sinn in ihrem Leben zu definieren. Frankl ist der Meinung, viele moderne Neurosen seien nicht durch eine echte psychische Störung entstanden, sondern vielmehr durch den Mangel an Sinn in unserer gegenwärtigen Gesellschaft. Somit zeigen sich viele Konflikte, welche mentaler und emotionaler Natur erscheinen, tatsächlich als psychische Verzerrungen, hervorgerufen durch die Flucht vor dieser großen Frage. Diese Verfälschung wiederum, kann nur durch eine direkte und volle Konfrontation mit ihr „geheilt” werden.

Eine solche Dynamik lässt sich außer im Bereich der Psychologie auch in der spirituellen Welt beobachten. Eines der größten Mängel der derzeitigen spirituellen Welt, welche sich darauf konzentriert „inneren Frieden” anzubieten, besteht in der

Tatsache, dass sie sich überhaupt nicht mit der Frage nach dem Sinn des Lebens auseinandersetzt.
Das Problem dabei ist nämlich, dass der Friede alleine keine wirkliche Lösung für den Mangel an Sinn in unserer modernen Welt bietet. Ist doch diese innere Stille das direkte Resultat einer Abkehr von der Welt und dem Fallenlassen von zwanghaftem Denken über weltliche Angelegenheiten. Dennoch kann langfristig gesehen ein sich Abwenden von der Welt nicht dazu führen, einen Sinn in dieser zu finden. Wie könnte es auch?

Das eigentliche Ziel des im Allgemeinen als „Meditation” bezeichneten Praktizierens innerer Stille ist, den Mensch in einen befreienden Zustand der Leere zu versetzen.

In einer Zeit jedoch, in welcher wir mit diesem unfassbaren Vakuum konfrontiert sind, welches durch den Wegfall der vormals dominierenden Religionen entstanden ist, scheint dies sicherlich als ein nicht allzu tiefgreifendes Mittel. Die uns angebotene Stille kann bestenfalls als ein erleichterndes Gegenmittel für eine permanente existentielle Spannung und neurotische Suche einer dem Sinn geraubten Menschheit angesehen werden.

Diese Sinnkrise begegnet uns sowohl in Psychologie als auch Spiritualität. Und beide müssen sich dieser Frage als Teil ihres nächsten Schrittes auf direktem Wege stellen. Eine persönliche und individuell orientierte Antwort kann immer nur von kurzer Dauer sein, da ein individueller Ansatz immer noch das moderne existentielle Vakuum hinterlässt, mit welchem wir ohnehin schon konfrontiert sind.

2 | Der Sinn im Menschsein

„Menschsein bedeutet, in einer ständigen Spannung zwischen Sterblichkeit und Unsterblichkeit zu existieren. Die Spannung zwischen 50% Geist und 50% Körper stellt sowohl die Quelle unseres Leidens als auch die Wahrnehmungschance unserer ganzen Pracht dar.”

Die Hauptausrichtung von Shai’s Lehre liegt in der Frage: Was bedeutet es, ein Mensch zu sein? Was ist die Rolle der menschlichen Erfahrung, welche sich ganz klar in diesem Mittelpunkt befindet zwischen den zwei Gegensätzen des Verstandes, Bewusstseins und Geistes auf der einen Seite, sowie einem materiellen und sterblichen Körper auf der anderen Seite. Der materialistische Ansatz stellt unsere Erfahrung als Mensch in einem sterblichen Körper in den Mittelpunkt unserer Existenz. Der spirituelle Ansatz hingegen, sieht den Kern unserer Existenz in der Erfahrung als grenzenloses und unendliches Bewusstsein. Dieses betrachtet die Welt aus der Ferne, ist vollkommen zufrieden in sich selbst und absolut neutral in Bezug auf Veränderung und Zeit.

Nach Shai’s Verständnis verfehlen beide Systemen den Kern der menschlichen Existenz. Dieser stellt für ihn eine Verschmelzung von Geist und Körper dar, welche unausweichlich eine völlig andere Erfahrung hervorbringt. Eine solche, welche weder wahrhaftig körperlich noch wahrhaftig spirituell ist. Stattdessen gibt sie einer ganzen Reihe von Gefühlen, Emotionen, Gedanken und Wahrnehmungen Raum, die durch die permanente Reibung zwischen diesen beiden Dimensionen unseres Wesens hervorgerufen werden.

Es ist genau diese Reibung, die die Natur der menschlichen Existenz am besten zum Ausdruck bringt. Die Reibung zwischen Unsterblichkeit und schwindendem Leben; zwischen unbegrenztem Bewusstsein und einem getrennten sowie begrenzten Körper; zwischen Vorstellungskraft, die alle Grenzen sprengt und einem Leben voller Regeln und Hemmungen; zwischen einer gewaltigen Vision und der Schwierigkeit, diese in starrer und unflexibler Materie zu manifestieren.

Natürlich macht es uns diese Reibung von Natur aus nicht leicht. Manchmal ist all das sogar ziemlich herb. Doch sich ein „leichtes Leben“ im Reich des reinen Geistes zu suchen, würde bedeuten, den wahren Charakter menschlichen Lebens einfach zu ignorieren und zu trüben. Schlimmer noch: Es würde bedeuten, die Möglichkeit zu echter Menschlichkeit vollkommen zu verpassen.

Je mehr wir in diese Reibung eintauchen, desto mehr erkennen wir, dass in ihr und nirgendwo sonst der Sinn des Lebens verborgen liegt. Genau diese Reibung beschreibt die Schönheit, ein Mensch zu sein.

Der Mensch ist dazu bestimmt, als aktive Brücke zwischen den Welten zu dienen und zu funktionieren. Zwischen den Extremen der spirituellen und materiellen Ebene. Als Mensch halten wir beide dieser Enden. Das ist eine außerordentliche Erforschungsreise in den Mittelpunkt der beiden. Und in der Tat sind wir Menschen selbst diese kosmische Suche nach einem Punkt der Vereinigung, in dem die beiden Welten sich in Harmonie und voller Erkenntnis treffen und sich dann als Resultat daraus, einander Sinn stiften.

Ein Sinn kann für das Leben nur in der Verschmelzung von Materie und Geist gefunden werden. Nur in diesem Punkt, in dem die menschliche, körperliche Erfahrung mit dem inneren Geist und unbegrenzten Bewusstsein zusammenfließt.

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